frühe verluste

schon wieder aus dem takt. der blick auf die uhr verriet, wie sich nathalie fühlte, zwei stunden zu spät. nathalie hatte probleme mit ihrer zeitwahrnehmung. aber das war schon immer so gewesen, seitdem sie sich erinnern kann. schon als kind hatte sie kein gefühl für zeit gehabt. ob ein ereignis zwei wochen oder zwei monate zurück lag, konnte sie einfach nie genau sagen. ein ereignis war zeitlich jedoch genau fest gelegt. die zeit vor ihrer geburt. man erzählte ihr von einem ort, eigentlich war es kein ort, genau genommen war es ein großer kessel, abrahams wurstkessel, in dem man so lange warten musste, bis man an der reihe war, das licht der welt zu erblicken. in nathalies kindlicher fantasie sah sie sich fröhlich zwischen frankfurter und debreziner durch den gulaschsaft schwimmen. das glücksgefühl, das sie mit dieser vorstellung verband, fand ein jähes ende, als sie in einer erwachsenenzeitung die karikatur eines menschenfressers erblickte, der in freudiger erwartung in einem riesigen kessel